„Auch ich habe 20 Jahre ehrenamtlich gearbeitet" |
Die Budgetverhandlungen sind gelaufen, die Kürzungen beschlossen: Gespart wird bei denen, die nur über ihre Arbeitskraft verfügen. Zuerst und deutlich spürbar genau dort, wo Verzicht, Mangel und Aufopferung auch während der fetten Jahre beheimatet waren. Wo tagtäglicher Überlebenskampf und die Mühen unsichtbarer, weil unbezahlte Arbeit auch für die große Politik unsichtbar bleiben. Ihr Gesicht ist rot und aufgedunsen, die Füße scheinen viel zu klein für ihren massigen fast schon grotesk aufgeblähten Körper. Dennoch tanzen die schwarzen Stöckelschuhe mit raschen, bestimmten Schritten zur Musik, die aus dem Kassettenrekorder krächzt. Innerhalb eines kurzen Nachmittags wird aus der steif im Eck sitzenden Rosa M. zuerst eine verlegen lächelnde und schließlich eine erhobenen Hauptes die Papierserviette zum chilenischen Nationaltanz schwenkende, selbstbewusste Frau. Rosa M., Mutter von fünf Kindern und Ehefrau eines Exilchilenen, der in der KPÖ eine neue politische Heimat gefunden hat, ist seit sieben Jahren in Österreich. Sie spricht kein Wort deutsch. Das Frauen- und Kinderfest im Lokal der LEFÖ (Lateinamerikanische Exilierte Frauen Österreichs) im wohl schönsten Gemeindebau Wiens im 12.Bezirk ist für sie ein besonderer Festtag. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft in Österreich ist sie alleine mit ihren Kindern ausgegangen. Seit ihr Mann in U-Haft sitzt, darf sie aus dem Fenster schauen, fortgehen, leichtere Kost essen, sich des Lebens wieder freuen. Sie und ihre Kinder brauchen sich endlich nicht mehr vor Schlägen und Vergewaltigung zu fürchten. Die Gallenkolik, die der siebzehnjährigen ältesten Tochter fast das Leben gekostet hätte, war die Antwort ihres Körpers auf die sexuelle Aggression, der sie seit Jahren ausgesetzt ist. Als der Vater sie mit ihrer frischen Operationswunde die Treppe hinunterstieß, erstattete die die Familie betreuende LEFÖ-Sozialarbeiterin Heidi Behn Anzeige. Nun will sich Rosa M. scheiden lassen. Weder Mutter und Tochter noch deren Betreuerin wagen daran zu denken, was passieren mag, wenn der Mann aus der Haft kommt. Von einem KZ ins andere Von den österreichischen Behörden können sie sich nicht viel erwarten. Die materielle Unterstützung von Flüchtlingen bringt offensichtlich weniger politisches Kapital als ein Vorwahlzeit-Foto eines Regierungsmitglieds mit Ernesto Cardenal oder Bischof Tutu. "Von Österreich gibt es so gut wie kein Angebot für Exilierte, es gibt kein Flüchtlingskonzept und auch keinen Wunsch nach Integration", resümiert nicht ohne Bitterkeit die chilenische Sozialarbeiterin Maria Teresa Gallardo, die bei ihrer LEFÖ-Beratungstätigkeit täglich mit Problemen ihrer Landsleute konfrontiert ist, für die sie keine Lösungen weiß. "Wir kommen von einem KZ ins andere." Was sollen die vier LEFÖ-Frauen etwa einem Chilenen raten, der mit seinem Arbeitslosengeld von 6.000 Schilling nicht nur eine vierköpfige Familie ernähren, sondern dem Flüchtlingsfonds auch noch eine - illegale - Untermiete von 4.200 Schilling zahlen muss? Wo sich die LEFÖ-Frauen doch selbst kaum helfen können. Das 1985 aus der Not betroffener Frauen entstandene und im August 1986 erstmals von Arbeitsmarktverwaltung und Sozialministerium subventionierte Projekt wähnte ein Jahr darauf schon seine letzte Stunde schlagen. Ende September erhielten sie endlich die heißersehnte Zusage für die Verlängerung ihrer drei Aktion 8000-Stellen bis März nächsten Jahres. Fristlos gestrichen wird ab November das Akademikertraining einer Mitarbeiterin. Was im Frühling sein wird, ist völlig ungewiss. Die 1.600 Schilling-Miete für die 50 Quadratmeter-Wohnung im Gemeindebau läuft jedenfalls weiter, und unser Trinkspruch auf den Tod Pinochets dürfte auch nicht so bald in Erfüllung gehen. Die Situation der lateinamerikanischen Frauen bleibt unvermindert trist. Gesellschaftlich isolierter als die Männer, sind ihre Deutschkenntnisse oft noch nach Jahren minimal. Zum Broterwerb steht ihnen nur das Putzen offen. Dem Druck des Exils halten die wenigsten Ehen stand. "Von unseren 30 Mitgliedern sind nur mehr zwei Frauen noch mit ihren Männern zusammen", erzählt Maria Teresa. Die Männer gehen häufig neue Beziehungen mit österreichischen Frauen ein - eine Chance zur Verbesserung ihrer miserablen Wohnverhältnisse - die Frauen kommen nur selten aus dem ausländischen Ghetto heraus und bleiben oft allein. Da manchmal nur ihre Männer als politische Flüchtlinge anerkannt sind, haben sie nach der Scheidung Schwierigkeiten mit der Aufenthaltsbewilligung. Geht`s arbeiten Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede, die eine frauenzentrierte Betreuung logisch und sinnvoll erscheinen lassen, interessieren die Behörden herzlich wenig. "Wenn ihr ein reines Frauenprojekt macht, kriegt ihr gar nichts", wurden die Frauen beim Ansuchen um Subvention vom Sachbearbeiter im Sozialministerium ebenso wohlmeinend wie vorauseilend gehorsam gewarnt. Gar nichts kriegen sie auch vom naheliegendsten aller denkbaren Geldgeber, der Gemeinde Wien. Diese befleißigt sich insgesamt einer bemerkenswerten Abstinenz, wenn es um die Finanzierung von Projekten geht, die dort Verantwortung übernehmen, wo die Stadt versagt. Etwa bei Deutschkursen für Ausländer/innen, die von keiner einzigen öffentlichen Stelle kostenlos angeboten werden. Stattdessen müssen sich die engagierten Sozialarbeiter/innen, Lehrer/innen, Kindergärtner/innen, Psycholog/innen und alle, die ihre Kreativität in Überlebensnotwendige gesellschaftliche Flickarbeit lenken, als lästige Bittsteller/innen abfertigen lassen. "Diese Vereine sprießen ja wie Pilze aus dem Boden", beschwert sich Bürgermeister Zilk, dessen Polit-Sexismus so wunderbar mit der Wiener Kino-Wahlwerbung seiner Partei harmoniert. Entsprechend anmaßend und borniert fällt der Ratschlag aus, mit dem er die arbeitslosen Frauen abspeist: "Auch ich habe 20 Jahre ehrenamtlich gearbeitet." Wie gering er die gesellschaftliche Leistung der Frauen einschätzt, die in der Beratungsstelle für ausländische Frauen und Mädchen im Wiener WUK Beratung, Deutsch- und Alphabetisierungskurse für Ausländerinnen durchführen, beweist mit seltener Eindeutigkeit Zilks Antwort auf die Frage der Projekt-Frauen, wovon sie denn leben sollten: "Geht`s arbeiten." Das finanzielle Damoklesschwert, unter dem die Projekte arbeiten müssen, bleibt nicht ohne Rückwirkung auf deren interne Situation. Heidi Behn von der LEF™ meint zwar, dass der gemeinsame Außenfeind die Gruppe zusammenschweißt, andererseits entstehe durch die immer größer werdende Selbstausbeutung doch auch ein "gestresstes Klima". "Drei Viertel unserer Zeit gehen auf die Geldsuche auf. Zu konzeptioneller Arbeit kommen wir überhaupt nicht mehr", klagt Heidi und spricht wohl für alle Projekte, deren Finanzierung nur für die nächsten Monate, höchstens aber fürs kommende Jahr gesichert ist. Wie kann unter diesen Umständen konzeptionelle Arbeit geleistet werden? Und was passiert mit all jenen chilenischen Frauen, für die die regelmäßigen Treffen zum Wärmepol inmitten der Kälte dieses Landes geworden sind? Oder mit den türkischen Gastarbeiterfrauen, denen der Deutschkurs im WUK zum ersten Schritt in die Selbständigkeit verholfen hat? Sterben, ohne dass es jemand merkt Wenn das persönliche Engagement groß ist und die Projektmitarbeiterinnen außer Arbeitslosigkeit auch für sich selbst keine Alternative sehen, dann wird improvisiert. Die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle für ausländische Frauen und Mädchen haben ein System der Selbstbesteuerung eingeführt, mit dem sie finanzielle Löcher stopfen. Aber auch die junge Sozialarbeiterin Andrea Jakober, die mit expressiver Mimik und Gestik Frauen mit viererlei Muttersprachen und unterschiedlichem Bildungsniveau Deutsch beibringt, ist mit ihrem Latein am Ende. "...Ja, einschränken eben", antwortet sie hilflos auf meine Frage, wie es weitergehen soll. Von den vier Aktion-8000 Stellen läuft jetzt monatlich je eine aus. Die Gruppe hat bei der Arbeitsmarktverwaltung um neue angesucht, aber für die Zeit nach Jänner 1988 sind die Hoffnungen gering. "Die AMV hat ja selbst nichts", versucht Andrea mit weiblichem Verständnis auch noch die Behörde in Schutz zu nehmen. Die auf Honorarbasis durchgeführten Deutschkurse sind vorerst noch gesichert. Wie die Beratung weitergehen soll, steht in den Sternen. Und Beratung umfasst bei den WUK-Frauen auch Dienstleistungen, die keine öffentliche Stelle an ihrer statt übernehmen wird, wie etwa Begleithilfe bei Amtswegen und Krankenhausbesuchen. Manchmal rufen Spitäler in der Beratungsstelle an und fordern eine Dolmetscherin an, um sich mit einer ausländischen Patientin verständigen zu können. Kostenlos, versteht sich. "Das Teuflische an der Situation der Sozialprojekte ist, dass sie still und leise zerfallen," sagt Dorothea Glatzmaier vom Bundesdachverband der österreichischen Sozialprojekte. "Sie sterben langsam, ohne dass es jemand merkt." Der Rückzug einer Stelle aus dem Finanzierungskarussell zieht den nächsten nach sich. Die Projekte werden nach einem bestimmten Schlüssel finanziert, in den meisten Fällen zu zwei Drittel von der Arbeitsmarktverwaltung, zu einem Drittel vom Land. Wenn die AMV nicht mehr zahlen kann, ziehen auch die Länder ihre Unterstützung zurück. Und umgekehrt. Sozialminister Dallinger soll über die schon seit Jahren von der Gemeinde Wien praktizierte Enthaltsamkeit in Geldsachen verärgert sein und will nun seinerseits die weitere Unterstützung mancher Wien-spezifischer Projekte von der Übernahme finanzieller Verantwortung durch das Land Wien abhängig machen. Gerade in Wien scheint es ja an Geld nicht zu mangeln. Die 15 Millionen Schilling für den "Tag der offenen Tür" lassen sich allemal noch lockermachen. Problematisch an den Frauenprojekten ist ihre Genügsamkeit, die sie überleben lässt, wenn Männer schon längst aufgegeben haben oder Radau schlagen. Frauenprojekte sind billiger, weil Frauen bereit sind, unbezahlte Arbeit zu leisten. Frauenprojekte funktionieren besser und überleben, weil Frauen oft keine andere Wahl haben. Frauen leisten nicht nur für andere Arbeit, sondern sind meistens auch persönlich betroffen. Die Vermischung von privatem Leben und Projektarbeit lässt sie immer wieder neue Geldquellen erschließen und sei es durch Umverteilung in den eigenen Reihen. Im Gegensatz zu den gemischten Projekten, die in den meisten Fällen finanziert waren, stützten und stützen sich Frauenprojekte in hohem Maße auf Personalförderung. Die Aktion 8000 wird wegen ihres unleugbaren Erfolgs für 1988 real sogar aufgestockt, das Akademiker- und Absolvententraining allerdings, auf das sich sehr viele Frauenprojekte verlassen haben, wird nicht mehr fortgesetzt. Eine Situation totaler Unsicherheit ist eingetreten. Die Finanzierungen der laufenden Projekte klingen alle innerhalb des nächsten Halbjahres aus; Zusagen über Verlängerungen werden erst in allerletzter Minute erteilt; AMV-Personalförderungen werden nur mehr kurzfristig geplant und für maximal ein Jahr bewilligt. Langfristige Projektplanung ist nicht mehr möglich. Immer mehr Zeit und Energie geht für das nackte Überleben des Projekts auf. Und dringend notwendige neue Projekte bleiben aus. Praxis unerwünscht Eine Vernetzung und somit ein gemeinsames politisches Auftreten aller Frauenprojekte Österreichs - viele Frauenprojekte haben sich wegen der männlichen Dominanz geweigert, dem "Bundesdachverband der österreichischen Sozialprojekte" beizutreten - wird wohl kaum mehr zustande kommen. Denn auch das von den beiden Sozialwissenschaftlerinnen Christine Spitzy und Doris Pleiger eingereichte Aktionsforschungsprojekt mit dem Ziel einer solchen Vernetzung mit Anlaufstellen in den einzelnen Regionen sowie der Einschulung von etwa 20 "Arbeitsmarktbetreuerinnen" wurde halbiert. Übrig blieb, wie schon so oft, nur der theoretische Teil: Erhebung, Dokumentation und Typologisierung der österreichischen Frauenprojekte und Fraueninitiativen; Abhaltung von drei regionalen Weiterbildungsseminaren in Wien, Salzburg und Graz; Veranstaltung einer internationalen Fachtagung zum Thema "Vernetzung von Fraueninitiativen" im Jänner nächsten Jahres. Begreiflich, dass viele ums Überleben kämpfende Frauenprojekte auf das Ansinnen der beiden Wissenschaftlerinnen nach Typologisierung sauer reagieren und dabei vergessen, dass Spitzy und Pleiger den Frauenprojekten ein politisches Instrument in die Hand geben wollten, mit dem "Frauenarbeitsplätze abgesichert beziehungsweise neu geschaffen" werden sollten. Der Schluss liegt nahe, dass gerade diese Art von Praxis in Zukunft unerwünscht ist. Von Amandas Matz - Aha! Ähnliches mögen sich auch die ursprünglich vier und jetzt bereits nur mehr drei beim Verein Wiener Jugendzentren angestellten Frauen von "Amandas Matz" denken. "Mädchen lass den Kopf nicht hängen, lass dich nicht vom Arbeitsmarkt verdrängen", steht auf dem flotten schwarz-rosa Prospekt der Beratungsstelle für erwerbslose und von Erwerbslosigkeit bedrohte Mädchen. Dass es dazu in Zeiten wie diesen einer tatkräftigen Unterstützung bedarf, muss den öffentlichen Geldgebern durch massiven Protest eingebläut werden. Erst seit Jänner diesen Jahres ist die strahlend weiß getünchte und gemütlich eingerichtete Beratungsstelle im Jugendzentrum Wien-Margareten geöffnet, und schon soll die in jahrelanger Vorbereitungsarbeit aufgebaute "arbeitsmarktpolitische Einrichtung" (Förderung nach Paragraph 18a) wieder zusperren müssen. Am 30.September lief die Bewilligung der AMV-Förderung aus, nur noch bis Jahresende übernimmt der selbst von Subventionen lebende Verein Wiener Jugendzentren die Kosten. Die "Amandas Matz"-Frauen sind im Gegensatz zu manchen anderen Frauenprojekten nicht bereit, sich selbst auszubeuten. Sie verstehen sich als Arbeitnehmerinnen mit gewerkschaftlich abgesichertem Anspruch auf geregelte Arbeitszeit und soziale Absicherung. Diese Einstellung versuchen sie auch ihren jungen Klientinnen in der t„glichen Beratung zu vermitteln: "Bist du noch in der Probezeit? Du verdienst unter dem Kollektivvertrag. Du müsstest an die 1.700 Schilling bekommen. Hast du keinen Lehrvertrag?" Sonja Moller bestärkt das ratsuchende Mädchen darin, einen Lehrvertrag zu verlangen, "damit du was in der Hand hast". "Ruf uns unbedingt morgen an," schärft ihr Sonja noch einmal bei der Verabschiedung ein. Diese Aufforderung ist zwar für die "Amandas Matz"-Frauen eine Selbstverständlichkeit, beim Arbeitsamt aber absolut unüblich. Gerade dieser Mangel an persönlicher Anteilnahme und Betreuung macht es Mädchen so schwer, ihre Bedürfnisse zu artikulieren und ihre Ansprüche durchzusetzen. "Ohne `Amandas Matz` hätte ich mich am Arbeitsamt nicht durchgesetzt", erzählt voller Stolz die 18-jährige Paola, die nach ihrem Weg zum Arbeitsamt zur Beratungsstelle kommt, um weitere Schritte zu besprechen. Sie ist eine in Österreich geborene Italienerin, mit dem Pech, erst seit einem Jahr wieder im Land zu sein und somit nicht unter die Bestimmung zu fallen, die ausländische Jugendliche der zweiten Generation Österreichern bei der Arbeitssuche gleichstellt. "Als sie meine dunklen Haare gesehen haben, waren sie gleich per du mit mir. Als ich dann den Mund aufgemacht habe, und sie gehört haben, wie gut ich deutsch spreche, haben sie ihren Ton geändert", berichtet Karin. "Dann haben sie mich gefragt, von wem ich komme. Von Amandas Matz - Aha! haben sie gesagt, und in zehn Minuten war alles in Ordnung." Die grüne Karte, die sie als arbeitssuchend ausweist und den regelmäßigen Kontakt zum Arbeitsamt herstellt, haben sie ihr trotzdem nicht gegeben. Die Frauen von Amandas Matz werden mit Karin weiterarbeiten müssen. Die Maturantin, deren italienische Matura in Österreich nicht anerkannt wird, sucht eine Arbeit, bei der sie mit Leuten Kontakt hat, "nur nicht wieder putzen, ich will nicht mehr putzen". Wer ist schon eine Bäuerin? Aufgegeben hat ein Projekt, dass zweifellos echte Pionierarbeit geleistet hat. "No hope", sagt Maria Arnreiter in ihrer Freistädter Wohnung resigniert und erleichtert zugleich, dass das Projekt "Bildungsarbeit mit Bäuerinnen" für sie ein vorläufiges Ende findet. Als zum Druck der Arbeit mit Frauen, die in einer ausweglos scheinenden Tretmühle gefangen sind, die Aggressionen der örtlichen Bauernbund-Vertreter/innen dazukamen und dann auch noch der t„glichen Kampf ums Geld, da wurde ihr alles zu viel. "Die ewigen Finanzverhandlungen haben an unserer Substanz gezehrt. Wir hätten es sowieso nur mehr ein halbes Jahr durchgehalten." 2 Jahre und 10 Monate lang sprachen drei aus der jeweiligen Region stammende Frauen im Pinzgau, im Waldviertel und im unteren Mühlviertel mit etwa 100 Bäuerinnen in Gruppen und Seminaren über ihre Lebenssituation. Im Sommer ging dann dem Bergland-Aktionsfond, von dem aus das Projekt mit einem Jahresbudget von 1 Million Schilling verwaltet wird, der finanzielle Atem aus. Die Geschäftsführerin des Projektes wurde mit Ende des Jahres gekündigt. Die für 1987 zugesagten Subventionen sind noch ausständig. "Wer ist schon eine Bäuerin?", fragt Christina Nöbauer traurig am Telefon. Sie ist gerade dabei, den Pinzgauer Teil des Projekts abzuschließen und sich auf die Arbeitslosigkeit vorzubereiten. Maria Arnreiter trägt das Aus gelassener: "Ich werde mir halt einen Arbeitsplatz erfinden müssen." Drei Mühlviertler Bäuerinnen sind aus ihren Dörfern nach Freistadt zum Interview gekommen. Über zwei Jahre lang haben sie einander mehr oder weniger regelmäßig einmal monatlich getroffen. Ob sie die Gruppe ohne Leitung weiterführen werden, wissen sie nicht. Es kommt so leicht etwas dazwischen - "ein Kalb, ein krankes Kind, der Mann, der wieder einmal furchtbar spinnt" - , dass es da schon eines starken Anstoßes von außen bedarf, um sich aufzuraffen. Bereut hat es allerdings keine. Die Frauen haben sich durch die Gruppe verändert. Dass Frauen sich zusammensetzen und miteinander reden, ist ja am Land durchaus nicht selbstverst„ndlich. Die Männer haben ihren Stammtisch. Nicht überall dürfen die Frauen mitkommen. Außerdem ist es nicht dasselbe: "Wir sind draufgekommen, dass wir mit den Männern nicht über das reden können, was wir in der Gruppe besprechen", sagt eine der drei Bäuerinnen, die ihre Namen nicht öffentlich preisgeben wollen, weil sie auch so schon Schwierigkeiten genug haben. "Du kommst immer so aufgehetzt heim", klagte der Mann der einen, und die andere konnte manchmal nicht zur Gruppe fahren, weil im Auto kein Benzin war, die Tankstelle abends schon geschlossen. Die 30-jährige Hermine W. ist in den vergangenen Jahren selbstbewusster geworden. Wenn sie früher zu Veranstaltungen nach Linz fuhr - an sich schon ein für eine Frau ungewöhnlicher Schritt, der die Schwiegereltern die Stirn runzeln ließ - sorgte sie im voraus für das leibliche Wohl von Mann und Kindern. "Jetzt koche ich nicht einmal mehr vor". Einmal errechnete sie, dass sie drei Wochen Tag und Nacht durchschlafen könnte, wenn sie alle Stunden zusammenzählt, die ihr der Mann an Arbeitszeit schuldet. Das war heilsam. Jetzt steht sie nicht mehr um halb vier Uhr früh auf, um die Kühe zu melken, während er weiterschläft, sondern beide stehen um halb sechs auf und melken die Kühe gemeinsam. Dennoch kommen alle drei Bäuerinnen auf eine Arbeitszeit von mindestens 14 Stunden täglich. Der Mann der 45-jährigen Maria L. hat es besonders schwer mit seiner Frau. Als eine, die bei Versammlungen immer aufsteht und geradeheraus sagt, was sie sich denkt, ist sie kaum in die Dorfgemeinschaft integriert, und er muss sich von den anderen Männern hänseln lassen. In der Gruppe hat Maria L. eine neue Heimat gefunden: "Da hab ich das Gefühl, ich kann sein, wie ich bin." Landwirtschaftsminister Riegler fiel das Projekt gleich zu Beginn seiner Amtzeit unangenehm auf, weil die "Basis" bei ihm "Sturm lief". Und bei den Bauern ist die Basis immer noch der Bauernbund, und der will die Frauen so, wie Anneliese Ratzenböck, des Landeshauptmanns Angetraute, es in der Zeitschrift "Parnass" (Heft 1/1981) beschreibt: "...es bleibt ein kleines oberösterreichisches Wunder, dass diese Tracht unsere Frauen so zu begeistern vermag, dass wir ohne Übertreibung von einer "Goldhaubenbewegung" im Lande ob der Enns reden können... Und diese Gemeinschaft wächst noch immer, denn jedes Jahr entstehen in vielen Stickkursen wiederum neuen Goldhauben." Während Bauernbundvertreter eine eigene Pension für Bäuerinnen als Beginn des moralischen Verfalls der bäuerlichen Familie geißeln, und schwangere Bäuerinnen noch am Tag ihrer Niederkunft Hunderte Liter Milch schleppen müssen, schaut Anneliese Ratzenböck mutig in die neuen Zeiten: " ...vielleicht ist es eine glückliche Zeit, in der die Frauen eines ganzen Bundeslandes darangehen, den Fehler einer vergangenen Geschichtsepoche zu korrigieren, indem sie mit Tausenden goldenen Hauben ein bisschen goldenes Zeitalter heraufbeschwören." Vielleicht hat sie Recht. Zu den Tausenden Oberösterreicherinnen könnten sich noch viele Tausende, von der Männergesellschaft um Entlohnung, Respekt und Lebensfreude geprellte Frauen aus allen Regionen des Landes gesellen. Um in einem epochalen Stickprojekt, finanziert von der Arbeitsmarktverwaltung, harmonisiert von den Koalitionsparteien, die Erinnerung an die heute noch existierenden lästig-widerspenstigen Frauenprojekte preiszugeben. Damit - mit Hilfe von politisch gesteuerter Arbeitslosigkeit - sein Wille geschehe. Erschienen in: “MOZ”, November 1988 Auch ich habe 20 Jahre ehrenamtlich gearbeitet © 1988 Erica Fischer
|